Ende 2022/Anfang 2023 soll der neue Hafenentwicklungsplan vorgestellt werden – für uns Moorburger immer ein spannendes Ereignis. Wie stellt sich die Wirtschaftsbehörde die Zukunft des Hafens vor und vor allem: Mit welchen Begründungen wird die Zukunft der Orte Moorburg und Francop ein weiteres Mal den angeblichen Flächenbedarfen des Hafens geopfert?
Unter dem Motto „Hamburg hält Kurs“ wurde im Oktober 2012 im letzten Hafenentwicklungsplan, nach einer bis dahin unvorstellbaren Wirtschaftskrise, ein vollkommen übertriebenes Bild des Umschlagspotenzials des Hamburger Hafens gemalt. Das Hafenerweiterungsgebiet Zone I (Moorburg) wurde wörtlich als „letzte große zusammenhängende Fläche … (und)… einzige Option für einen neuen Hafenteil“ dargestellt. 10 Jahre später liegen Flächen auf Steinwerder brach, der kleine Grasbrock wurde als Hafenfläche entwidmet, die Umschlagszahlen stagnieren seit 2008 und ein Verkauf von Teilen des Containerterminals Tollerort an COSCO scheint eine der wenigen Optionen zur Sicherung von Umschlagsmengen zu sein. Moorburg soll als innerstädtisches LNG-Terminal herhalten (fairerweise ist dies keine Planung der Wirtschafts- sondern der Umweltbehörde), der Senat versucht auf Teufel komm raus Umschlagszahlen zu retten. Seit etwa einem Jahr sind Stimmen aus der Wirtschaftsbehörde zu hören, dass Moorburg für den Umschlag von hochexplosivem Wasserstoff herhalten soll. Diese Entwicklungen zeigen im Grunde eines, was natürlich niemand in der Hamburger Politik so sagen würde: Die Umschlagsprognose für Hamburg ist schlecht und der Hamburger Hafen hat in den letzten Jahren nach und nach seinen Stand als Welthafen verloren.
Für den Hafenentwicklungsplan 2040 gibt es für die Moorburger Ende 2021 einen Lichtblick: Eine Bürgerbeteiligung wird angestoßen (https://www.hafen2040.hamburg/ ), auf der Titelseite lächelt der Wirtschaftssenator Michael Westhagemann den Interessierten an und schreibt: “Ich freue mich sehr, dass wir im Zuge der aktuellen Hafenentwicklungsplanung erstmals auch die Bürgerinnen und Bürger in den Prozess mit einbinden.“ Die Moorburger freuen sich auch, wurden sowohl sie als auch die Umweltverbände und weitere kritische Stimmen doch sonst nie gefragt. Doch die Ernüchterung setzt bereits vor Aufruf der eigentlichen Bürgerbeteiligung ein: „Der Hafen ist das Herz unserer Stadt und die Basis für zahlreiche hoch engagierte Unternehmen, die für tausende qualifizierte Arbeitsplätze stehen“, wird dem Besucher erklärt, ohne den Hafen wäre Hamburg also nichts. Schaut man sich die Arbeitsplätze im Hafen an, so wird meist über ca. 150.000 berichtet (Stand 2014). Dass diese in der neuesten Studie (Stand 2021) auf 114.000 gesunken sind, scheint egal. Neue Arbeits- und Rahmenbedingungen lassen von weiter sinkender Tendenz ausgehen.
Weitere Ernüchterung beim Durchklicken der Thesen (https://www.hafen2040.hamburg/dialoge ), denen im Zuge der Befragung zugestimmt werden soll (oder auch nicht). Beispielsweise finden sich als Thesen subtile Andeutungen, die keinerlei Substanz haben und ohne Belege in den Raum gestellt werden:
- „Der Hamburger Hafen ist für die Freie und Hansestadt Hamburg und ihre wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand unverzichtbar“ Ist es nicht etwas platt eine solche Aussage zu formulieren? Oder wird hier geprüft wie sich die jahrzehntelange Hafenpropaganda in den Köpfen der Hamburger festgesetzt hat?
- „Der Hamburger Hafen gehört 2040 in puncto Umschlagszahlen weiterhin zu den Top 3 der europäischen Seehäfen“ Hier scheint es doch so zu sein, dass Größe nur um der Größe Willen erhalten werden muss. Sollte nicht lieber ein Fokus auf Umschlag gelegt werden, der nachhaltig und hochwertig ist? Oder müssen mehr Transshipment Container nach Hamburg, damit sie bloß nicht bei der Konkurrenz in Niedersachsen, Bremen, Antwerpen und Rotterdam umgeschlagen werden? Und dort auch noch ganz ohne Naturzerstörungen durch Elbvertiefung und Verpestung einer Innenstadt durch Schiffsemissionen?
- „Der Hamburger Hafen muss als Kern der hamburgischen Wirtschaft stärker unterstützt und gefördert werden“ (Wenn etwas so toll ist, warum muss es gestützt werden? Senator Westhagemann lässt bei vielen Gelegenheiten gerne fallen, dass er gerne mehr Geld vom Bund hätte, bspw. für Schlickmanagement. Ein Umdenken, dass die „Riesenpötte“ auch in Wilhelmshafen abgefertigt werden könnten (denn hier gäbe es diese Probleme nicht), wäre ja ein Eingestehen von Fehlern der Vergangenheit, als Hamburg eine Beteiligung in Wilhelmshafen ablehnte…)
Auf der anderen Seite Thesen, die - gepaart mit dem Narrativ des unverzichtbaren Hafens - Probleme der heutigen Zeit in den Schatten stellen und in sich bereits ein Schlag ins Gesicht derjenigen ist, die sich um die Zukunft dieser Welt sorgen:
- „Das Hafengebiet und die wirtschaftliche Tätigkeit der ansässigen Unternehmen dürfen nicht durch andere städtebauliche Funktionen (Wohnen, Freizeit, etc.) eingeschränkt werden.“
- „Um den Hafen funktionstüchtig und wettbewerbsfähig zu halten, sind Eingriffe in die Natur gerechtfertigt.“
Auch die offenen Diskussionsseiten fangen an mit dem Einpeitschen der Unverzichtbarkeit des Hamburger Hafens: „Der Hamburger Hafen ist räumlich und emotional im Herzen der Stadt. Er ist Heimat für die Hamburgerinnen und Hamburger und schafft kulturelle Identität“, danach soll diskutiert werden.
Glücklicherweise sind nicht alle Teilnehmer komplett vom Mythos des unentbehrlichen Hafens verblendet, teils gibt es gute und durchdachte Beiträge. Hafenkritiker versuchen auf den Dialogseiten Diskussionen anzustoßen, die allerdings nur auf geringes Interesse stoßen. Die Moorburger diskutieren mit, der Runde Tisch Moorburg veröffentlicht eine Stellungnahme.
Am 10.11.2021 wird die Bürgerbeteiligung geschlossen, es gilt auf die Ergebnisse zu warten. Da sowohl der Runde Tisch, aber auch weitere Moorburger als Teilnehmer registriert sind, wird angenommen, dass es hierzu eine Benachrichtigung geben wird. Jedoch stellte sich heraus, dass es keine solche geben wird. Im Oktober wurde aus Interesse nochmal auf die Seite geschaut und siehe da: Die Ergebnisse liegen seit April 2022 vor. (https://www.hafen2040.hamburg/sites/default/files/hep_2040_bericht-online-dialog.pdf ) Werden sie mit Absicht unter dem Radar gehalten? Auch in der Bedeutung der Bürgerbeteiligung wird zurückgerudert: Hinter dem Grußwort des Wirtschaftssenators erscheint plötzlich ein Hinweis, dass es sich nicht um eine repräsentative Umfrage handle, hiervon war vorher keine Rede. Sind die Ergebnisse etwa nicht genehm? Über die Hälfte der Teilnehmer sieht den Hamburger Hafen 2040 nicht mehr unter den Top 3, Wohnen und Freizeit sind ebenfalls mehr als 50% der Teilnehmer wichtiger als der Hafen. Eingriffe in die Natur werden von 60% der Teilnehmer abgelehnt. Interessant wird die Auswertung auch dann, wenn ein Vergleich gezogen wird zwischen den Zustimmungswerten ohne Begründung zu den Zustimmungswerten mit Begründung, als Beispiel hierfür die Zustimmungswerte zur Wohn- und Freizeitthese, diese sinken von 44% ohne Begründung auf ca. 20% mit Begründung.
Interessant wird die Auswertung auch bei den Diskussionsseiten: Kritik kommt auf, dass einige Moorburger eine Vielzahl von Thesen auf die Diskussionsseite gestellt haben und weite Teile der Diskussion prägen. Das Interesse von Hafenbefürwortern scheint nicht so weit zu gehen, sich einer Diskussion zu stellen, aber es wird kritisiert, dass Menschen, deren Heimat bedroht ist, sich mit dem Hafen auseinandersetzten. Dies scheint ein Konterkarieren dessen zu sein, dass der Hafen ja die Heimat der Hamburger sein soll…
Insgesamt ließe sich auch noch Kritik zur Beteiligungsmethode insgesamt formulieren: Wird es vom ausführenden Unternehmen so dargestellt, dass eine niederschwellige Befragung durch nicht-Registrierung allen Hamburgern die Möglichkeit gibt, an der Befragung teilzunehmen, so sei doch anzumerken, dass es die Möglichkeit der Mehrfachbeantwortung oder auch der Beantwortung durch nicht-Hamburger gibt. Über unterschiedliche Ergebnisse bei Angabe von Begründungen wurde ja bereits eingegangen.
Insgesamt sind die Ergebnisse der Befragung durchaus erhellend, auch für Hafenkritiker. Doch ob sich der Wirtschaftssenator dies so vorgestellt hat? Rückblickend ist die Umfrage als solche wohl ein Fehlschlag für die Wirtschaftsbehörde. Die Thesen subtil und tendenziös, die Ergebnisse nicht repräsentativ und die seriöse Teilnahme weder über Anmeldung noch sonst wie gesichert. Die Hoffnung der Moorburger auf einen fairen und ehrlichen Hafenentwicklungsplan wird sich wohl spätestens bei Veröffentlichung zerstreuen, aber einen Lichtblick gibt es doch: Die Wirtschaftsbehörde hat es seit 40 Jahren nicht geschafft, sich Moorburg unter den Nagel zu reißen und sie wird es auch in den nächsten Jahrzehnten nicht schaffen. Denn mittlerweile schaffen es auch kritische Stimmen ins Hauptprogramm. „Wer genau hinsieht wird feststellen: Wir haben es mit dem allmählichen Abstieg eines Welthafens zu tun.“ https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/Kampf-um-Riesenpoette-Wohin-steuert-Hamburgs-Hafen,sendung1286406.html